Warum jüngere philippinische Generationen in Wien Dating-Apps nutzen, um außerhalb der Community Partner:innen zu finden.
Als Marilyn Velasco Magoo im Jahr 2017 ihren späteren Partner über Tinder kennenlernte, war sie unter den ersten in ihrem Freundeskreis, die es mit dem Online-Dating versuchten. Mittlerweile sei Online-Dating in ihrer Generation „normal“, wie sie sagt. Genutzt werden Tinder, Bumble, Tantan oder Lovoo. Von der Funktionsweise ähneln diese Plattformen einander: Profile werden den Nutzer:innen standortbezogen angezeigt. Bei Bumble kann nur die Frau den ersten Schritt machen.
„Ich wollte jemanden außerhalb meines sozialen Umfelds kennenlernen“, erklärt die heute 26-jährige Velasco Magoo, warum sie Tinder auf ihr Handy lud. Ihre Mutter kommt von den Philippinen. Die Community in Österreich wird von der philippinischen Botschaft auf 30.000 Personen geschätzt. Darin sind aber jene nicht enthalten, die die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben.
Das große Kapitel in der Migrationsgeschichte begann in den 1970er Jahren: Speziell die Stadt Wien warb Krankenschwestern aus den Philippinen an, um den Fachkräftemangel in den Krankenhäusern und Pflegeheimen zu reduzieren.
In der Bundeshauptstadt leben bis heute die meisten Filipinos und Filipinas. Durch Geburtstagsfeiern, Feste und eigene Kulturvereine sind sie gut vernetzt. Die Chance, dieselben Bekannten zu haben, ist daher groß. „Sobald man einen Filipino oder eine Filipina trifft, kommt man drauf, dass er oder sie deine Cousine oder andere Familienmitglieder und Bekannte über verschiedene Ecken kennt. Das ist für mich das Schlimmste. Das wollte ich nicht“, sagt Velasco Magoo.
Klatsch und Tratsch. Auch für den 26-jährigen Gregory Culbengan war es wichtig, außerhalb der philippinischen Szene jemanden kennenzulernen. Klatsch und Tratsch verbreiten sich dort schnell, sagt er und fügt hinzu: „Gibt es in einer Beziehung Streit, weiß es einfach jeder!“ Über Tinder lernte Culbengan im Mai 2022 die Tirolerin Carina Bichler in Wien kennen.
Velasco Magoo und Culbengan sind in Wien geboren und aufgewachsen. Sie gehören damit der sogenannten „zweiten Generation“ an. Einer Generation, die mit mehreren Kulturen aufwächst. Sie wurden beide in Österreich sozialisiert, aber auch nach philippinischen Normen erzogen.
In den Philippinen werden Mädchen generell stärker behütet als Buben, gerade wenn es um Beziehungen geht. Velasco Magoo erzählt, dass sie erst mit 18 Jahren zum ersten Mal mit einem Mann ausgehen durfte. Bis dahin erlaubten ihr die Eltern nicht, abends wegzugehen oder anderswo zu übernachten. Andere philippinische Mütter seien aber viel strenger, betont sie. Dass junge Filipinas heimliche Beziehungen hatten, kam in ihrem Umfeld daher oft vor.
Gut aufgenommen. Differenzen zwischen den Generationen zeigen sich auch in Bezug auf Online-Dating. So erzählte Velasco Magoo den Älteren in der Familie nicht, dass sie ihren Freund über Tinder kennengelernt hatte: „Sie hätten nicht verstanden, wie das funktionieren kann.“
Gegenüber ihren Eltern musste Velasco Magoo ohnehin schon erklären, warum sie nicht mit jemandem aus der philippinischen Community ausging. Ihr Freund, ein Österreicher, fühlt sich in ihrer Familie aber gut aufgenommen. Er ist bereits auf die Philippinen gereist und beteiligt sich bei Festen der Community in Wien auch schon an den traditionellen Tänzen.
Marina Wetzlmaier ist freie Journalistin aus Wels/Oberösterreich, Autorin des Buchs „Die Linke auf den Philippinen“ und Teil der zweiten philippinischen Generation in Österreich.
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